Unser Kanzleigebäude im Wandel der Zeit

Das erste Dokument in der Bauakte der Stadt Stolberg vom 19. Juli 1903 weist den Obergärtner Herrn Albert Nawrocky als Eigentümer aus. Bereits zu dieser Zeit muss das Gebäude ein Geschäftshaus gewesen sein, was aus dem gewerbepolizeilich geprüften "Concessionsgesuch" einer in späterer Zeit dort ansässigen Druckerei vom 6. März 1907 hervorgeht. Ausweislich dieses Dokumentes hatte das Gebäude mit seiner Fassade im neobarocken Stil bereits eine Wasserleitung und einen Kanalanschluss; elektrische Beleuchtung war vorgesehen.

Nach dem Auszug der Druckerei wurde das Erdgeschoss zweigeteilt und beherbergte von nun an zwei Gewerbeeinheiten: Während sich im linken Bereich Radio Dörfler niederließ, verkaufte im rechten Bereich der Spanier Rosello im "Spanischen Garten" Obst und diverse Getränke.

 

Am 28. Juni 1952 - am Wochenende der Stolberger Stadtkirmes - eröffnete der Kaufmann Wilhelm Forné mit Unterstützung seiner Ehefrau Margareta ein Strumpfmagazin, genannt "FT Strumpf". Der Name war abgeleitet aus den beiden Familiennamen Forné und Thomas. Er bot dort alles zum Thema Strümpfe und später auch Strumpfhosen an, insbesondere die zu damaliger Zeit neuartigen und heißbegehrten Nylonstrümpfe. Voraussetzungen für die Geschäftseröffnung waren damals ein Gewerbeschein, zu dessen Erlangung kaufmännische und warenkundliche Ausbildungsnachweise erforderlich waren.

Nach der Heirat der Kaufleute Forné im Jahre 1953 nutzten diese den hinteren Teil des Erdgeschosses, der damals noch nicht vollständig überbaut war, einige Zeit als Wohnung.

 

Mit Kaufvertrag vom 28. April 1956 erwarb Margareta Forné das Gebäude von den Erben des zwischenzeitlich verstorbenen Eigentümers, den Geschwistern Maria Johanna Albertine, genannt Marita Nawrocky  und Margarete Johanna Albertine, genannt Grete von Asten, geborene Nawrocky. Die im Stadttheater Aachen tätige 53-jährige Sängerin Marita Nawrocky bewohnte derzeit drei Räume im 1. Stockwerk. An dieser Wohnung erhielt sie ein Wohnrecht , verpflichtete sich aber, im Hinblick auf die geplante Erweiterung des Geschäftslokals, am 1. Juni 1960 diese Wohnung aufzugeben und in vier Räume des 2. Stockwerks umzuziehen, für die ihr ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt wurde und die bis dahin noch von einer Familie Reinartz bewohnt wurde. Marita Nawrocky nutzte ihr Wohnrecht bis zu Ihrem Tode im Jahr 1981.

 

In den folgenden Jahren wurde das Strumpfgeschäft sukzessive in den hinteren Bereich des Gebäudes erweitert - hier erfolgte nunmehr auch die Reparatur von Nylon- und Perlonstrümpfen (Laufmaschen) mit Repassiermaschinen - bis im Jahr 1960 ein großer Umbau stattfand, der den Charakter des Hauses, dieser Zeit entsprechend, stark veränderte. Das entstehende Damen-Modegeschäft enthielt eine moderne hohe und weit ins Gebäudeinnere hineinreichende Passage, der Hof wurde überbaut, die beiden Etagen wurden durch eine großzügige Treppe miteinander verbunden, so dass sich die Verkaufsfläche nun über das gesamte Erdgeschoss und das 1. Obergeschoss erstreckte.

 

Als im Jahr 1985  das Modegeschäft aus Altersgründen geschlossen wurde, baute der Eschweiler Kaufmann Erwin Feldermann die Geschäftsräume seinen Bedürfnissen entsprechend um, blieb aber der bisherigen Branche treu. Im Zug des teilweisen Rückbaus der Schaufensteranlage nutzen die Eheleute Forné die Gelegenheit, um die wieder neu entstandene Fassadenfläche mit nachgefertigten Stuckelementen zu versehen.

 

Das Modehaus Feldermann wurde von der "Schatulle", einem Modegeschäft von Josef Baumann beerbt. Nach dessen Geschäftsschließung wurde die Innenverbindung der beiden unteren Etagen zur zukünftigen getrennten Nutzung entfernt. In die obere Etage verlegte der Sohn der Eheleute Forné, unser heutiger Partner,  seine Steuerberaterkanzlei. Das Erdgeschoss erlebte sodann eine wechselhafte Geschichte: Einem Gemüsegeschäft (Erdemir) folgte ein Geschäft mit Wellnessartikeln (Sous) und das Gardinen-und Plisseegeschäft DecoLine (Norbert Braun) mit zwischenzeitlichen Leerstandsperioden.

Durch die Zusammenführung zweier Steuerberater-Kanzleien im Jahr 2019 entstand die FORNÉ & PARTNER Steuerberater-Partnerschaft mbB, für die die Kanzleiräume im 1. Obergeschoss zu klein wurden. Die "alte" Treppenverbindung wurde wieder hergestellt, die Passage vollständig zurückgebaut. Entstanden war nun eine für Mandanten und Mitarbeiter moderne, technisch auf dem neuesten Stand befindliche Bürowelt mit ansprechender Raum- und Gebäudegestaltung. Ein wesentliches Augenmerk legten alle Beteiligten darauf, der denkmalgeschützten Fassade wieder ein Stückweit mehr ihren Charakter zurückzugeben, den sie in früheren Zeiten einmal hatte. Die Verwendung von regionsbezogenen Materialien im Eingangsbereich sowie die Fortführung der Stuckelemente im unteren Bereich des Hauses spiegeln dies wieder.

 

Die Arbeiten waren gerade fertiggestellt, da ereilte Stolberg in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 ein Jahrhundert-Hochwasser. In Teilen unserer schönen Stadt erreichte das Wasser einen Pegel von über drei Metern und zerstörte nicht nur Gebäude sondern auch wesentliche Infrastruktur. Auch vor unserem Kanzleigebäude hatte sich ein reißender, dröhnender Fluss gebildet, der uns mit Blick durch unsere große Glasfront mit seinem 1,40 Meter hohen Pegelstand den Eindruck eines großen Aquariums vermittelte.

 

Im Vergleich zu vielen anderen war das Kanzleigebäude zwar nicht von einem Wassereinbruch betroffen, aber durch das Volllaufen der Keller der gesamten Häuserzeile, suchte sich das Wasser dann doch seinen Weg nach oben, so dass die Kanzleiräume dennoch von einem knapp 35 cm hohen Wasserstand betroffen waren.

 

In den nächsten beiden Tagen sorgten viele helfende Hände von Freunden und Kanzleimitarbeitern für die Entrümpelung und Säuberung des Erdgeschosses und Kellers. Strom, Gas, Internet und Telefon funktionierten nicht mehr. Gleichzeitig wurden Probeöffnungen in Wänden und Böden vorgenommen und es stelle sich schnell heraus, dass der Sanierungsbedarf erheblich ist.

 

Dank innovativer Technik konnte der Kanzleibetrieb bereits am nächsten Tag wieder aufgenommen werden.

 

Während dessen konnten die Trocknungs- und Abrissarbeiten im Erdgeschoss beginnen. Zur Abschottung des zu sanierenden Erdgeschosses schlossen wir die durch die Spindeltreppe verbundenen Etagen mit einer Planen-/Lattenkonstruktion luft- und staubdicht ab und die folgenden Maßnahmen konnten beginnen:

 

       das Mobiliar und die Holztüren waren aufgequollen und mussten entsorgt werden

       die Glastüren wurden abgeholt und eingelagert

       die Lüftungsanlage und die Brandmelder wurden zum Schutz staubdicht abgeklebt

       die doppelt beplankten Rigipswände wurden auf einer Höhe von 60cm geöffnet und die nasse Dämm- und Schallschutzwolle beseitigt

       der Estrich wurde entlang der Außen- und Zwischenwände eingeschnitten und in den Zwischenbereichen entfernt (in Folgen dessen brauchten die Zwischenwände und die Glastrennwände nicht vollständig erneuert werden); die Sockel konnten autark trocknen (wie wir später sahen, wurde dieses Prinzip auch im alten Stolberger Rathaus angewendet) 

       die Elektrik im Keller einschließlich der dort befindlichen Zähler- und Sicherungskästen musste erneuert werden, auch die Haustürsprechanlage hat der Feuchtigkeit nicht standgehalten

 

Nachdem die Stromversorgung wiederhergestellt war und noch weitere Trocknungsgeräte Ihre Arbeit geleistet hatten, konnte der Wiederaufbau beginnen.

 

Der Estrichboden wurde neu verlegt und nach der Trocknung mit einer Betonoptik versehen. Die Außen und Zwischenwände wurden wieder geschlossen und gespachtelt. Die zeitnah neu bestellten Fototapeten wurden wieder angebracht und die restlichen Flächen gestrichen. 

 

Der vom Estrichboden übrig gebliebene Sand fand in ca. 50 Sandsäcken Platz, die nun im Keller auf ihren (hoffentlich nie wieder notwendigen) Einsatz warten.

 

Für die erforderlichen Arbeiten konnten wir glücklicherweise auf die Handwerker, die uns bereits beim Kanzleiumbau 2020/2021 begleitet haben, zurückgreifen. Nur für die Verkleidung unserer Empfangstheke konnten wir keinen Schreiner finden. Bei unserer Internet-Recherche stießen wir auf eine Kupfertechnik, die uns wegen des Bezugs zum Namen unserer Kupferstadt schnell überzeugte. Die Arbeiten zu Erstellung der Empfangstheke haben wir zwischenzeitlich aufgenommen.