19.09.2022 | Der Steuerratgeber - Kolumne im Wirtschaftsteil der Aachener Zeitung/Aachener Nachrichten
Stellt ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer als geringfügig entlohnten Beschäftigten (sog. Minijobber) ein, bestehen steuer- und sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten. Der Arbeitgeber hat in der Regel pauschal 13% zur Kranken- und Pflegeversicherung und 15% zur Rentenversicherung abzuführen. Hinzu kommen regelmäßig die Insolvenzgeldumlage sowie die Umlagen U1 und U2 für Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall bzw. für Mutterschaftsaufwendungen von derzeit 1,28%. Während der Arbeitnehmer durch zusätzlich von ihm selbst zu tragenden Zusatzbeiträgen von 3,8% (mindestens jedoch 6,65 EUR) Rentenversicherungsansprüche erwirbt, ist er über diese Beschäftigung weder kranken- noch pflege- noch arbeitslosenversichert. Auf diese Rentenversicherungsansprüche kann er unter gleichzeitigem Wegfall seiner Zusatzbeiträge im Vorhinein verzichten. Zahlt der Arbeitgeber eine zusätzliche Lohnsteuerpauschale von 2%, ist die Beschäftigung für den Arbeitnehmer auch steuerfrei. Abzuführen sind alle Beiträge an die Minijob-Zentrale bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See.
Zur Einhaltung der Geringfügigkeitsgrenze darf das monatliche Arbeitsentgelt 450 EUR nicht überschreiten. Übersteigt das Arbeitsentgelt diese Grenze, wird die Beschäftigung nach den allgemeinen Grundsätzen versicherungspflichtig, sowohl in der Kranken- und Pflege- als auch in der Renten- und Arbeitslosenversicherung.
Besondere Vorsicht
Das Überschreiten der Grenze wird nicht nur durch Überzahlungen verursacht. Als Arbeitsentgelt sind auch die Lohn- und Gehaltsbestandteile in die Prüfung der Grenze einzubeziehen, die nach anderen Vorschriften zusätzlich hätten gezahlt werden müssen (sog. „Phantomlohn“), denn das Sozialversicherungsrecht stellt nicht auf das gezahlte Arbeitsentgelt, sondern auf den Anspruch des Arbeitnehmers ab.
Zur Verdeutlichung folgendes Beispiel: Der Arbeitsvertrag einer Arbeitnehmerin sieht vor, dass sie donnerstags und freitags jeweils 4,5 Stunden für einen Stundenlohn von 11 EUR arbeitet. Den Monatslohn ermittelt man je nach Arbeitsvertrag nunmehr nach den gearbeiteten Stunden oder als Durchschnitt über 3 Monate, die regelmäßig aus 13 Wochen bestehen: also 9 Stunden multipliziert mit 13 Wochen ergibt 1.287 EUR. Hiervon entfällt ein Drittel auf einen Monat, somit 429 EUR. Bei einer Betriebsprüfung der Deutschen Rentenversicherung wurde nun festgestellt, dass der auf diese Branche anzuwendende allgemeinverbindliche Tarifvertrag einen Stundenlohn von 13 EUR vorsieht. Dies entspräche einem monatlichen Arbeitsentgelt von 507 EUR. Die Geringfügigkeitsgrenze ist somit überschritten und die Beschäftigung wird sowohl rückwirkend als auch zukünftig in allen vier Versicherungszweigen nach den allgemeinen Grundsätzen versicherungspflichtig. Ebenso entfällt die Pauschalsteuer, so dass der Arbeitnehmer den Arbeitslohn individuell versteuern muss. Während sich die Steuer vom gezahlten Arbeitslohn (429 EUR) berechnet, wird die Sozialversicherung vom eigentlich zu zahlenden Entgelt (507 EUR) ermittelt. Die Differenz zwischen den beiden Beträgen ist der Phantomlohn.
Neben nicht eingehaltenen Tarifverträgen können „betriebliche Übung“ oder die Nichteinhaltung des Mindestlohns zu Phantomlohn führen.
Das Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, jeden einzelnen Arbeitsvertrag ständig im Auge zu behalten, notfalls anzupassen und vorausschauend zu formulieren. Ebenso reicht eine einmalige Überprüfung nicht aus, weil sich die tariflichen Vorgaben und die Geringfügigkeitsgrenze regelmäßig – zum Teil jährlich – ändern. Andernfalls kann es vorkommen, dass zwar heute die Geringfügigkeitsgrenze noch unterschritten, durch nachfolgende tarifliche Erhöhungen jedoch überschritten wird.
Neue Grenzen
Ab dem 01.10.2022 steigen die Geringfügigkeitsgrenze auf monatlich 520 EUR und der Mindestlohn auf 12 EUR pro Stunde. Diese Grenzen sollen zukünftig korrespondierend steigen, so dass regelmäßig eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 10 Stunden ermöglicht wird.