22.08.2022 | Der Steuerratgeber - Kolumne im Wirtschaftsteil der Aachener Zeitung/Aachener Nachrichten
Im abschließenden Text eines jeden Einkommensteuerbescheides steht regelmäßig, dass grundsätzlich innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides gegen diesen Einspruch eingelegt werden kann, um darin enthaltene Fehler korrigieren zu lassen. Ist diese Frist versäumt, ist der Weg des Einspruchs regelmäßig versperrt.
Bekannt ist weniger, dass ein Einkommensteuerbescheid unter bestimmten Voraussetzungen und innerhalb einer gewissen Zeit sowohl seitens des Steuerbürgers mit Hilfe eines Antrags als auch von der Finanzbehörde noch geändert werden kann.
Ein solche Änderung kann in jedem Punkt veranlasst werden, wenn auf der ersten Seite des Steuerbescheides vermerkt ist, dass dieser „unter dem Vorbehalt der Nachprüfung“ ergeht. Dieser Vorbehalt darf nicht mit dem an gleicher Stelle angebrachten Vermerk „teilweise vorläufig“ verwechselt werden. Letzterer bezieht sich nur auf die Änderungsmöglichkeit ganz bestimmter Sachverhalte, die ausdrücklich am Ende des Steuerbescheides unter den „Erläuterungen“ aufgeführt sind.
Änderungen eines Steuerbescheides sind weiterhin zugunsten aber auch zuungunsten des Steuerbürgers möglich, sofern speziell geregelte Korrekturvorschriften Anwendung finden. Hier kommt es beispielsweise darauf an, ob der Finanzbehörde Tatsachen oder Beweismitteln nach der abschließenden Bearbeitung des Steuerfalles bekannt werden, dem Steuerbürger ein grobes Verschulden für die verspätete Kenntnisnahme der Finanzbehörde trifft oder ob offenbare Fehler der Finanzbehörde oder bei Erstellung der Steuererklärung entstandene Schreib- und Rechenfehler des Steuerbürgers vorliegen.
Vierjahres-Zeitraum
Abgesehen von einzelnen fristverlängernden Tatbeständen sind diese - außerhalb eines Einspruchsverfahrens vorgesehenen - Änderungsmöglichkeiten nur innerhalb eines Vierjahres-Zeitraumes erlaubt, innerhalb der sogenannten Festsetzungsfrist. Diese Frist beginnt am Ende des Jahres, in dem der Steuerbürger die Steuererklärung beim Finanzamt einreicht, spätestens aber Ende des dritten Jahres, für das die Steuererklärung eingereicht wurde oder abzugeben gewesen wäre. Veranschaulichen wir uns das an zwei Beispielen: Sie müssen eine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2020 abgeben, schaffen dies aber erst im Laufe des Jahres 2022, dann beginnt die Festsetzungsfrist Ende 2022 und endet vier Jahre später am 31.12.2026. Geben Sie die Steuererklärung erst im Jahr 2025 ab, beginnt sie bereits Ende 2023 und endet 2027. In Folge dessen wären die beschriebenen Korrekturmöglichkeiten noch bis Ende 2026 bzw. Ende 2027 möglich.
Voraussetzung für diesen Fristlauf ist ferner, dass die Steuererklärung weitgehend vollständig dem zuständigen Finanzamt zugeht. Die ordnungsgemäße Abgabe bzw. Übertragung der ELSTER-Erklärung noch am Jahresende führt somit zu einem Jahr frühere Rechtssicherheit als eine Abgabe der Steuererklärung zu Beginn des Folgejahres.
Ausnahmsweise kann aber auch die Abgabe der Einkommensteuererklärung bei einem unzuständigen Finanzamt genügen, um die Festsetzungsfrist in Gang zu setzen. In einem Fall, den der Bundesfinanzhof (BFH) letztlich zu entscheiden hatte, wurde die im Jahr 2011 eingereichte Steuererklärung vom unzuständigen Finanzamt grob schuldhaft lediglich zu den Akten genommen und erst in einem späteren Jahr das zuständige Finanzamt informiert. Als letzteres dann im Jahr 2016 einen Einkommensteuerbescheid verschickte, kam es zur Klage und der BFH wies das Finanzamt auf die Wirksamkeit der Abgabe im Jahr 2011 und des damit verbundenen Ablaufs der Festsetzungsfrist bereits zum Jahresende 2015 hin. Der Steuerpflichtige war wegen grober Verletzung der behördlichen Fürsorgepflicht so zu stellen, als wäre die Abgabe beim richtigen Finanzamt erfolgt. Die der Höhe nach richtig berechnete Steuernachzahlung durfte demnach nicht mehr gefordert werden.
Gerade dieses letzte Beispiel macht deutlich, dass die Berücksichtigung korrekter Zahlen zwar wichtig ist, aber der Überwachung der formellen Regeln des Steuerrechts eine hohe Bedeutung beizumessen ist.